interview

Höchste Energieeffizienz

Neue Kühlgerätegeneration von Rittal senkt Energieverbrauch um bis zu 75 %: Die Vorstellung der neuen Kühlgeräte-Generation Blue e+ war das Produkt-Highlight auf dem Rittal-Stand zur Hannover Messe 2015, und man kann davon ausgehen, dass die derzeit wirtschaftlichste Kühlgeräteserie der Welt auch bei ihrer Österreich-Premiere auf der Smart Automation Austria für Aufsehen sorgen wird. Dass es sich bei der versprochenen Verbrauchssenkung um bis zu 75 % um abgesicherte Werte handelt und keineswegs um die einzige Aufsehen erregende Neuerung am Kühlgerät, erfuhr Fachredakteur Ing. Peter Kemptner im Interview für x-technik AUTOMATION von DI Steffen Wagner, Leiter Produktmanagement Climatisation bei Rittal. Autor: Ing. Peter Kemptner / x-technik

Ein vollgrafisches Touch-Display mit mehrsprachiger Klartext-Anzeige und ein USB-Anschluss für Parametrierung und Diagnose vereinfachen Betrieb und Fehlerbehebung.

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Heat Pipe

An der Stelle, an der die Wärme abgeführt werden soll, wird die Flüssigkeit in der Heat Pipe erhitzt, sie verdampft und steigt als Dampf nach oben, zum kühleren Bereich der Heat Pipe. Dort kühlt sich der Dampf ab, kondensiert und gibt damit die Wärme ab und sinkt als Flüssigkeit wieder zum heißeren Bereich der Heat Pipe.

Trotz des aktuell recht niedrigen Ölpreises ist die Energieeffizienz industrieller Produktionsanlagen weiterhin ein wichtiges Thema. Lösungs- und Komponentenanbieter aus allen Bereichen der Technik bemühen sich nach Kräften, den Energiebedarf ihrer Produkte zu senken und bringen laufend Produkte mit verbesserter Energieeffizienz auf den Markt. Ein besonders heikles Thema ist die Energieeffizienz im Schaltschrank. Überschüssige Energie aus den darin befindlichen Komponenten kann nur selten ab- und einer nutzbringenden Verwendung anderswo zugeführt werden. Sie wird in Form von Wärme freigesetzt, und die muss mittels Kühlgeräten aus dem Schaltschrank abgeführt werden, was zusätzliche Energiezufuhr erforderlich macht. Diese hat Rittal bei seiner neuen Kühlgeräte-Generation Blue e+ auf ein Viertel des bisherigen Wertes gesenkt.

Steffen Wagner
Leiter Produktmanagement Climatisation, Rittal GmbH & Co KG

„Um die Energieeffizienz deutlich zu erhöhen, setzt Rittal bei seiner neuen Kühlgeräte-Generation Blue e+ erstmals auf ein innovatives, patentiertes Hybridverfahren aus Heat Pipe und Kompressor-Kühlgerät.“

Herr Wagner, Schaltschrank-Kühlgeräte wurden bisher eher als Nebenerscheinung betrachtet. Was hat Rittal veranlasst, wesentliche Summen in eine neue Gerätegeneration mit mehr Energieeffizienz zu investieren?

Schätzungen zufolge sind europaweit ca. 2 Mio. Schaltschrank-Klimageräte im Einsatz. Angenommenen, diese hätten durchschnittlich 1 KW Leistung, ergibt das 2 Terawatt Anschlussleistung, das entspricht einem Jahresausstoß von etwa 4 Mio. t CO2. Als weltweit führender Systemanbieter für Schaltschrank-Klimatisierung übernimmt Rittal die Verantwortung, durch die Senkung des Energiebedarfs von Kühlgeräten einen signifikanten positiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Mit einer Senkung des Energieverbrauchs auf ein Viertel des bisherigen Wertes hilft die Geräteserie Blue e+ uns, diesem Anspruch gerecht zu werden und unseren Kunden, steigenden Energiekosten besser zu begegnen.

Eine NFC-Schnittstelle für Mobiltelefone oder Tablets erleichtert die und Instandhaltung, Ethernet-Module mit verschiedenen Echtzeit-Protokollen erleichtern die Einbindung in Steuerungs- und Leitsysteme.

Eine NFC-Schnittstelle für Mobiltelefone oder Tablets erleichtert die und Instandhaltung, Ethernet-Module mit verschiedenen Echtzeit-Protokollen erleichtern die Einbindung in Steuerungs- und Leitsysteme.

Eine Senkung des Energieverbrauchs um 75 % klingt beinahe utopisch. Wie haben sie diese enorme Reduktion erreicht?

Um in völlig neue Bereiche der Energieeffizienz vorzudringen, kombiniert Rittal bei der neuen Kühlgeräte-Generation Blue e+ erstmals zwei bisher stets getrennte Kühlverfahren, die oft zur Kühlung von Computer-Prozessoren mittels Verdampfung und Kondensation verwendete Heat Pipe und ein Kompressor-Kühlaggregat, wie man es auch aus bisherigen Schaltschrank-Kühlgeräten kennt. Klingt einfach, ist es aber nicht, denn die unterschiedlichen Verfahren sollen sich ja ergänzen, dürfen einander aber nie stören. Die Kunst liegt in der richtigen Regelstrategie für den Hybridbetrieb. Diese ist auch entscheidend für die erzielte Energieeinsparung.

Können Sie das unseren Lesern näher erläutern, womöglich mit Zahlenbeispielen?

Unser patentiertes Hybridverfahren ist auf Energieeffizienz im Teillastbetrieb optimiert. Bei einem Temperaturunterschied (∆T) von nur 15°C zwischen Umgebung und Schaltschrankinnrerem können die Geräte allein über die Heat Pipe ca. 60 % der Wärmelast passiv abführen. Da Schaltschrankkühlgeräte überwiegend im Teillastbetrieb arbeiten, lassen sich somit die meisten Schaltschränke auch bei einem kleineren ∆T mit sehr geringem Energieaufwand kühlen. Ein Wirkungsgrad zwischen 5 bis 10 ist hier eher die Regel als die Ausnahme.

Selbst bei Volllast und einem ∆T von 0°C ergibt sich immer noch ein Effizienzvorteil gegenüber herkömmlichen Kühlgeräten. Durch den Einsatz drehzahlgeregelter DC-Motoren sowohl bei den Lüftern als auch beim Kompressor wird die Kühlleistung dem aktuellen Bedarf angepasst, sodass auch die Energieeffizienz der reinen Kompressor-Kühlung gesteigert werden konnte. Ihr Wirkungsgrad steigt gegenüber den modernsten bisherigen Systemen je nach Gerätetyp noch einmal um 7 – 30 %.

Die Kühlgeräte-Generation Blue e+ mit patentiertem Hybrid-Kühlverfahren verbraucht bei gleicher Leistung um 75 % weniger Strom als bisherige Geräte. Ihr Einbau ist außen, teil- oder vollintegriert möglich.

Die Kühlgeräte-Generation Blue e+ mit patentiertem Hybrid-Kühlverfahren verbraucht bei gleicher Leistung um 75 % weniger Strom als bisherige Geräte. Ihr Einbau ist außen, teil- oder vollintegriert möglich.

Behauptete Verbrauchswerte sind in der Praxis meist nicht haltbar. Was macht Sie so sicher, dass die 75 % Ersparnis auch im Echtbetrieb zu erzielen ist?

Die vier Jahre Entwicklungszeit, die Rittal in dieses bahnbrechende Projekt gesteckt hat, enthalten auch das, was man in der IT-Welt als Beta-Testphase bezeichnet. Dabei haben ausgewählte, überwiegend größere und sehr kritische Kunden die Geräte monatelang im Echtbetrieb getestet, auf Herz und Nieren geprüft und mit den bisher verwendeten Geräten gleicher Leistung unter denselben Bedingungen verglichen. Eine solche Felderprobung dient der finalen Optimierung der Geräte vor der Vertriebsfreigabe und der Aufdeckung eventueller Unzulänglichkeiten. Die von uns genannten Einsparungen im Stromverbrauch von bis zu 75 % wurden im Zuge dieser Feldtests z. B. bei Audi gemessen.

Welche weiteren vorteilhaften Auswirkungen hat die Hybrid-Kühlung mit Heat-Pipe und Kompressor noch außer der reinen Energieeinsparung?

Bisherige Geräte sind zweipunktgeregelt. Das heißt, die Kühlung schaltet beim eingestellten Maximalwert – meist 35° C – ein und kühlt mit 100 % ihrer Leistung bis zum Erreichen der eingestellten unteren Temperaturschwelle. Das ist nicht nur wenig energieeffizient, sondern führt auch zu hohen Temperaturunterschieden im Schaltschrank zwischen den erhitzten Komponenten und der Kühlluft. Die wesentlich exaktere Temperaturregelung der Geräteserie Blue e+ bringt eine bedarfsgerechte Kühlleistung mit einem Regelhub unter 0,5 statt der bisherigen 5 K, die zu Temperaturschwankungen von mehr als 20K am Kaltluftaustritt führen können. Das führt – auch im Feldtest beim bayerischen Schleifmaschinenhersteller Kapp – zu einer Reduktion der thermischen Belastung der aktiven Komponenten im Schaltschrank (einschließlich der Kühlgeräte selbst) und erhöht so ganz erheblich deren Lebensdauer.

Die behaupteten Eigenschaften der revolutionären Klimageräte wurden im Zuge einer Felderprobung bei ausgewählten Kunden in der Praxis verifiziert.

Die behaupteten Eigenschaften der revolutionären Klimageräte wurden im Zuge einer Felderprobung bei ausgewählten Kunden in der Praxis verifiziert.

Bieten die neuen Kühlgeräte von Rittal ihren Anwendern auch auf anderen Gebieten Einsparungspotentiale?

Angesichts der Exportorientierung unserer Kunden aus Maschinen- und Anlagenbau ist die flexible Eignung für alle weltweit üblichen Stromnetze durch die patentierte Mehrspannungsfähigkeit ein probates Mittel zur leichteren Beherrschung der steigenden Produktkomplexität. Bei einem Eingangsspannungsbereich von 110 V (einphasig) bis 480 V (dreiphasig) bei 50 oder 60 Hz Netzfrequenz können Maschinen mit einheitlichen Kühlgeräten innerhalb Europas, nach Japan oder in die USA ausgeliefert werden. Unterstützt wird das durch ein UL-Listing der Geräte, die in vielen Ländern wichtige Schutzart NEMA-3R und einen Betriebstemperaturbereich von -30 bis +60° C. Neben einer deutlichen Verringerung der Variantenvielfalt bringt das auch eine erhebliche Vereinfachung der Ersatzteillogistik.

Was ändert sich für Rittal-Kunden bezüglich Gerätegrößen und Einbaumaße?

Obwohl die Geräte der Serie Blue e+ den Leistungsbereich bis 6 kW abdecken – früher max. 4 kW – ändert sich kaum etwas bei den Abmessungen. Wie bisher ist auch eine Montage außen, teil- oder vollintegriert möglich, neu mit einheitlichen Montageausschnitten und Befestigungspunkten für alle Leistungsklassen von 1,5 bis 6 KW und Montagearten. Diese volle Kompatibilität der neuen Geräte untereinander unterstützt weiter die Vereinheitlichungsbestrebungen der Kunden, verhindert aber natürlich eine volle Kompatibilität zu bestehenden Ausschnitten für ältere Geräte.

Rittal verspricht, mit der Geräteserie Blue e+ den Komfort bei Service und Instandhaltung zu erhöhen. Wie?

Die Geräte bieten auf mehrfache Weise teilweise revolutionäre Verbesserungen im Handling und eröffnen damit Möglichkeiten zur deutlichen Beschleunigung der Störungsbehebung. So bietet ein vollgrafisches Touchdisplay alle relevanten Informationen auf einen Blick und zeigt Systemmeldungen als Klartext in Landessprache an. Dadurch erübrigt sich das bisher erforderliche Nachschlagen in der Bedienungs- und Wartungsanleitung, von der meist niemand weiß, wo sie sich aktuell befindet.

Die Geräte-Parametrierung, das Auslesen von Diagnosedaten und das Nachladen einer neuen Benutzersprache können über eine USB-Schnittstelle erfolgen, ebenso aber auch über eine NFC-Schnittstelle mittels Mobiltelefonen oder Tablets. Für diese hat Rittal eine mobile App geschaffen, sodass ohne spezielle Infrastruktur sowohl eine Datenerfassung als auch die Verbindungsaufnahme zum Rittal-Service erfolgen können. Zusatzmodule verleihen den Kühlgeräten Ethernet-Fähigkeit für die einfachste Einbindung in Steuerungs- oder Leitsysteme der Maschinen und Anlagen. Als erste Protokolle kommen Modbus/TCP und CAN, weitere werden sukzessive folgen.

Ab wann werden die neuen Klimageräte verfügbar sein?

Zunächst: Die Geräte werden ab Sommer mit den Wandgeräten sukzessive in Produktion gehen und bis zum 1. Quartal 2016 in allen Varianten von 1,5 bis 6 kW voll verfügbar sein. Das Engineering kann jedoch bereits jetzt über Cadenas oder das Eplan Data Portal voll auf alle relevanten Daten zugreifen, um sie in zukünftige Maschinen und Anlagen zu integrieren.

Die Geräte werden ähnlich wie heutige Haushaltsgeräte mit einem Öko-Label versehen. Das ist in der Industrieumgebung bisher einmalig. Im Gegensatz zur EER (Energy Efficiency Ratio) als rein theoretisches Maß der Energieeffizienz in einem definierten Betriebspunkt reflektieren die darauf angegebenen Werte die viel aussagekräftigere SEER (Seasonal Energy Efficiency Ratio) für unterschiedliche Lastfälle und Temperaturverläufe.

Wie rasch werden die Geräte der Serie Blue e+ ältere Modelle ersetzen?

Auch wenn die Energieeinsparung durch einen vollständigen Austausch aller Schaltschrank-Kühlgeräte in Europa ein mittleres Atomkraftwerk arbeitslos machen würde, ist damit leider nicht zu rechnen. Da sich die Preise gegenüber bisherigen Geräten nicht oder nur wenig ändern, ergibt sich durch die Energieeinsparung für Kunden ein Gesamtkostenvorteil, sodass wir mit einer raschen Ablöse der bisherigen Serien beim Bau neuer Maschinen und Anlagen rechnen, teilweise sogar mit einem Austausch bereits im Feld befindlicher Geräte.

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