Automation aus der Cloud

Neue Wege zur Industrieautomatisierung: Immer mehr Teile der industriellen Automatisierung sollen in die Cloud verlegt werden. Nicht nur die in rapide steigenden Mengen generierten Daten, sondern neben Auswerte-, Überwachungs- und Kontrollmechanismen auch Steuerungs-, Regelungs- und sogar Safety-Algorithmen. Wozu eigentlich? Was lässt sich vernünftig in die Cloud verlegen? Was sollte man dabei beachten? Und was ist das überhaupt, die Cloud? Autor: Ing. Peter Kemptner / x-technik

Schwerpunkte der Automation aus der Cloud-Serie:

In den vier Folgen dieser Artikelserie beleuchtet x-technik AUTOMATION verschiedene Aspekte der Cloud-Nutzung für die industrielle Automatisierung, ergänzt durch Fach- und Anwenderberichte der Automatisierungsanbieter. Diese zeigen, welche Chancen es heute schon gibt, um die Möglichkeiten der Cloud nutzbar zu machen. In der ersten Folge widmeten wir uns den Motiven und Grundlagen samt Begriffsbestimmung des inflationären Begriffs Cloud und beleuchteten die grundlegenden Cloud-Services. Im Mittelpunkt der zweiten Folge standen die unterschiedlichen Cloud-Arten und die Gefahren für die Datensicherheit. Im letzten Heft untersuchten wir Maschinenbau-relevante Cloud-basierte Angebote mit ihren Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, in der vorliegenden Ausgabe wagen wir einen Ausblick auf zukünftige Nutzungsformen und deren Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und Methoden im Maschinenbau.

Der Weg der Automatisierung in die Cloud ist unaufhaltsam. Die Konzepte von Industrie 4.0 sind ohne die Auslagerung wesentlicher Teile des Gesamtprozesses in Infrastrukturen außerhalb von Maschinen und Anlagen nur mit großem Aufwand realisierbar. Ihr Ziel, die Anpassungsfähigkeit von Produktionsmitteln, muss über das hinausgehen, was zum Zeitpunkt der Entwicklung einer Produktionseinrichtung bekannt oder unmittelbar vorhersehbar ist, soll sie nicht eine bloße Worthülse bleiben.

Wohin (ent)führt uns die Cloud?

Noch wird die Cloud in der Welt der industriellen Automatisierung als ein Ort verstanden, an dem Daten aufbewahrt und ausgewertet werden können, um bereits bekannte Aufgabenstellungen einfacher oder kostengünstiger zu lösen. Da dies in unserer Branche die traditionellen Motive zum Vorantreiben von Innovationen sind, beeilen sich alle namhaften Hersteller, ihre Systeme cloudfähig zu machen. Das zeigt sich in zahlreichen Artikeln im Rahmen dieser Serie in der x-technik AUTOMATION.

Allerdings ist Cloud-basierte Automation keineswegs nur als nützliche Technologie zu verstehen. Sie kann viel mehr sein. Richtig angewendet, bietet sie die Grundlage für eine radikale Umstellung, oftmals sogar für eine völlige Neudefinition der Geschäftsmodelle in und um den Maschinen- und Anlagenbau. Auch dafür gibt es bereits einen etablierten Begriff: Man spricht hierbei von disruptiven Prozessen.

Optimierung von Betrieb und Instandhaltung

Ein erstes kleines Revolutiönchen kann die Cloud bei Wartung und Instandhaltung von Maschinen und Anlagen bringen. Daten aus ERP- und MES-Systemen sowie lokalen Steuerungen und Sensoren zentral zusammenzuführen, ermöglicht Rückschlüsse auf Effektivität, Effizienz und Zustand von Produktionsmitteln. Dazu lassen sich trefflich als Software as a Service (SaaS) in der Cloud laufende Auswertungsalgorithmen nutzen. Bereits die Möglichkeit, nicht auf das Auftreten von Fehlern warten zu müssen, sondern durch frühzeitige Diagnose korrigierend eingreifen zu können, wird als wesentlicher Fortschritt gewertet. Alarmierung und unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten über mobile Endgeräte oder mittels Augmented Reality ermöglichen zielgerichtet und mit effizientem Personaleinsatz vor Ort vorbeugende Maßnahmen. Auch können mit Business Intelligence (BI) Auswertungen Effizienzdefizite erkannt und Verbesserungen an den Anlagen durchgeführt werden.

Bereits das ermöglicht Maschinen- und Anlagenbauern sowie unabhängigen Automatisierern neue Angebote, etwa Wartungsverträge mit Verfügbarkeits- oder Effizienzgarantien. Deren Einhaltung können sie durch permanente, automatisierte Überwachung über Cloud-Services sicherstellen. Zum Sprung wird dieser kleine Schritt durch die Möglichkeit, auf Probleme oder Schwächen automatisch zu reagieren. So könnten z. B. Produktionsanlagen in der Cloud simuliert und ihre Programme automatisiert den aktuellen Produktivitätszielen angepasst werden. Die technischen Mittel dazu gibt es bereits.

Systemgrenzen überwinden für automatisierte Kooperation

Großes Potenzial steckt in der einfachen gemeinsamen Datennutzung durch bisher nicht verbundene Systeme. Die Energieeffizienz von Gesamtanlagen lässt sich z. B. deutlich verbessern, indem Raumheizung, Drucklufterzeugung und Schmiermittelversorgung in der Dreherei abgeschaltet werden, wenn der letzte Mitarbeiter am Zeiterfassungssystem auscheckt. Ein dringender Produktionsauftrag kann prophylaktisch ins Zweigwerk umgeleitet werden, wenn an einer Maschine beginnende Probleme erkannt werden. Und wenn z. B. ein Roboter-Greifer an der lokalen Steuerung vorbei Berührungen mit Menschen an ein Cloud-basiertes Alarmierungssystem meldet, erfolgt der Sanitätereinsatz zeitnah und zielgerichtet und hat dadurch bessere Erfolgsaussichten.

‚Sowohl als auch‘ statt ‚entweder – oder‘

Den größten Effekt wird die Einfachheit der Nutzung von Daten und Programmen über die Cloud auf das Angebot an Automatisierungssoftware selbst haben. Am oberen Ende der Lösungsskala stehen integrierte Engineering- und Betriebspakete, die den gesamten Maschinen- bzw. Anlagenzyklus abdecken, vom Entwurf bis zum Abbau. Sie fungieren als digitaler Zwilling der realen Produktionsmittel und erfassen sämtliche im Betrieb durchgeführte Änderungen. Weil in einer Welt veränderlicher Produktionsmittel auch deren Veränderung Teil des Produktionsablaufs werden muss. Am anderen Ende der Skala stehen kleinteilige Softwaremodule, die baukastenartig zu Gesamtprogrammen zusammengestellt werden können. Bald werden diese wohl nicht mehr nur zur lokalen Installation, sondern auch zur bedarfsweisen Nutzung im Internet angeboten.

In dieser schönen neuen Welt wird die Software noch mehr als bisher zur Hauptsache im Maschinen- und Anlagenbau, denn sie bildet auf allen Ebenen der Automatisierungspyramide die gewünschten Funktionen ab. Lokal oder in der Cloud? Sowohl als auch!

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